Nach fünfmaliger Teilnahme an den Paralympics als Dressurreiterin, war nun der Tag gekommen, an dem ich es nicht in die deutsche Mannschaft schaffen sollte. Anfänglich konnte ich mir das gar nicht vorstellen. Schon seit so langer Zeit bestimmten die Turniere und Championate meinen Ablauf und mein Leben und die Paralympics waren alle 4 Jahre ein besonderes Highlight gewesen. Ich versuchte mir dies vorzustellen… Paralympics, die Posts, Infos, Interviews und ich zuhause…. wie schon 2014, als meine Stute Ariva sich auf dem Weg zum letzten Training verletzt hatte und wir nicht zu den Weltreiterspiele nach Caen fahren konnten.
… schnell wurde mit klar dass ich da trotzdem hin wollte. Also schrieb ich meinen Lebenslauf und schickte ihn an das OC. Nach 14 Tagen erhielt ich eine Einladung als NTO (national technical official)!
Juhuuh, Ich sollte das offizielle Team verstärken. Nach der umfangreichen negativen Presse zur Zeit der Olympiade stieg ich mit gemischten Gefühlen am 8. September 2016 in das Flugzeug nach Rio. Als sehr schwierig stellte sich heraus, mein Gogomobil mit nach Brasilien nehmen zu können. Nach 45 Minuten des Redens war Air France jedoch letztendlich bereit mein Fahrzeug mitzunehmen. Wie sich später herausstellte, hätte ich ohne dieses meinen Job nicht machen können.
Schon vor meinem Abflug hatte ich das Gefühl, dass die Paralympics vielleicht eher von den Brasilianer akzeptiert werden würden, als dies bei der Olympiade der Fall gewesen war. Diese Vermutung wurde dann tatsächlich während meines 11 tätigen Aufenthalts bestätigt.
Nach meiner Ankunft am frühen morgen liefen Transport meines Equipments, Akkreditierung und auch die Einkleidung brasilianisch unkompliziert.
Lösungen waren manchmal etwas unkonventionell, auch zu 6. konnte man im Taxi fahren, mache Dinge dauerten etwas länger, aber alle waren immer freundlich und bemüht. Die Reitanlage in Deodoro war auf einem Militärgelände entstanden und es fehlte uns einfach an NICHTS. Die Pferdepfleger wie auch die Offiziellen waren in Appartments untergebracht und oh Wunder ich hatte sogar ein behindertengerechtes Bad, womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Nach meiner Einkleidung hatten wir einen kleinen Zwischenfall, auf dem Rückweg, einen Platten auf einer 8 spurigen Autobahn, natürlich auf der ganz linken Spur. Der Reifen hatte dem Schlaglöcher, von der Grösse des halben Autos, nicht stand gehalten und unser Fahrer hatte es trotz brasilianischen Verkehrs geschafft unseren Wagen auf der rechten Spur zum Stehen zu kriegen. Zugegeben, wir hätten nicht aussteigen mögen, doch unsere brasilianischen Begleiter schafften es den linken Vorderreifen zu wechseln, ohne dass es zu einem Unfall kam oder Verletzte gab. Obrigado!
Die Menschen die ich getroffen habe waren meist sehr interessiert, so kamen sie bei Einkäufen immer wieder auf uns zu und wollten mehr wissen. In der Organisation gab es keine Probleme, die nicht lösbar gewesen wären. Die Offiziellen waren ein eingespieltes Team mit denen es mir super viel Spass machte zu arbeiten. Dank meines offiziellen Outfit fühlte ich mich schon mal dazugehörig, aber es gab mir auch jeder das Gefühl dass ich dort an der richtigen Stelle war. Mein Job war es die Athleten nach ihren Ritten zur Presse zu begleiten. Ich erhielt sehr viel positives Feedback von verschiedensten Nationen, was mir das Dasein ohne Pferd um einiges erleichterte.
Zu 100% war es die richtige Entscheidung gewesen so mit bei den Paralympics dabei zu sein. Vieles war behindertengerechter als ich es für möglich gehalten hätte. Rollstuhlrampen, Toiletten, genügend Platz, alles war vorhanden. Taxifahrer waren unkompliziert und kreativ, was den Transport von Rollstühlen und sonstigem Equipment anging. So wurde kurzerhand der Rollstuhl im Kofferraum mittels Expander am Kofferraumdeckel befestigt, so blieb der Kofferraum zu und der Rollstuhl darin. Sie arbeiteten lösungorientiert und dies war gepaart mit Innovation und Kreativität.
Faszinierend waren wieder einmal die unzähligen freiwilligen Helfer, die auf eigene Kosten nach Brasilien gereist waren um dort den Spirit von Olympia und den Paralympics erleben zu dürfen. Für mich sind sie die eigentlichen Stars. Durch ihren selbstlosen Einsatz haben sie die Spiele zu einem solchen Event werden lassen. Im Dressurreiten mit Handicap war ich sehr positiv überrascht. An mehreren Tagen hatten wir über 8000 Zuschauer, hierzu zum Vergleich 15000 in London, einem absoluten Reiter- Land. Auch bei vermeintlich langweiligen Prüfungen, wo z.B. nur Schritt geritten wird, blieben die Zuschauer bis zum Ende. Die Zuschauer waren super diszipliniert, „silent applause“ oder sonstige diffizile Situation wurden erkannt und dem wurde sofort Rechnung getragen.
Der Ansager war angenehm, pfiffig und direkt an der richtigen Stelle involviert. So folgte einer Pause mit Samba und brasilianische Rhythmen, zu denen die Brasilianer auf den Stühlen tanzten, eine Dressurprüfung bei der man hãtte eine Stecknadel fallen hören. Passend und verdient war daher auch der 3. Platz eines Brasilianers in Grade Ia, der frenetisch gefeiert wurde.
Es war Top Sport in allen Grades, wie die knappen Ergebnisse, insbesondere auch an der Spitze wiederspiegeln. Das Niveau ist noch einmal gestiegen und zeigt auch neue Reiter aus anderen Nationen an der Spitze.
Für mich war es ein spannender Job, hatte ich doch das Privileg die Reiter und Ihr Team direkt nach den Ritten interagieren zu sehen. Dies was sehr aufschlussreich und interessant!
1 Kommentar
Well done, Geli!
Führt die Paralympics in Rio noch einmal treffend vor Augen.